Lektion 04

DIE SECHS TÜRKISCHEN FÄLLE

4.1 NOMINATIV

Der Nominativ ist schnell und einfach abgehandelt, da es sich dabei lediglich um die Grundform handelt.

Beispiele:

araba = das Auto
oda = das Zimmer
pencere = das Fenster

Zur Erinnerung: Im Türkischen gibt es keine bestimmten Artikel, sondern nur den einzigen unbestimmten Artikel bir = ein/e.

4.2 AKKUSATIV

4.2.1 Wen oder was?

Wie auch im Deutschen beantwortet der Akkusativ im Türkischen die Frage nach „wen?“ oder „was?„.

Zur Bildung des Akkusativs wird das Suffix -i verwendet. Es folgt der GROSSEN VOKALHARMONIE und kann daher folgende Formen annehmen: -ı, -i, -u, -ü

Beispiele:

Peyniri verir misin? = Gibst Du mir den Käse? (Wen oder was gibst Du mir?)
Çayı içiyoruz. = Wir trinken den Tee. (Wen oder was trinken wir?) 

4.2.2 Endung auf harte Konsonanten

Einige Wörter enden auf den sogenannten „Harten Konsonanten“ ç, k, p und t. Erinnerst Du Dich an den Hinweis in Lektion 3.2? Da wurde t zu d. Diese harten Konsonanten werden dann vor dem Akkusativ-Suffix zu c, ğ, b und d verweichlicht.

Beispiele:

Mektubu aldın mı? = Hast Du den Brief erhalten?
mektup (= der Brief) endet eigentlich auf p, was nun zu b verweichlicht wird.
Müziği duymuyorum. = Ich höre die Musik nicht.
müzik (= die Musik) endet eigentlich auf k, was nun zu ğ verweichlicht wird.

Ausnahme: Sütü getirdim. = Ich habe die Milch gebracht. (Wen oder was habe ich gebracht?). Süt endet zwar auf den harten Konsonanten „t“, wird aber im Sinne der Harmonie nicht verweichlicht, da „südü“ nicht so harmonisch klingt. Gleiches gilt beispielsweise auch für bisiklet.

4.2.3 Vokalendung
Endet ein Wort auf einen Vokal, wird ein y eingeschoben. Das kommt Dir bekannt vor, oder?

Beispiele:

Odayı gördün mü? = Hast Du das Zimmer gesehen?
Lütfen kapıyı kapat. = Schließe bitte die Tür.

ABER: Stammt die Vokalendung von einem Possessiv-Suffix oder -Pronomen, dann wird NICHT y, sondern ein n eingeschoben:

Beispiele:

Peyniri verir misin? = Gibst Du mir DEN Käse?
Onun peynir|i|ni verir misin? = Gibst Du mir SEINEN/IHREN Käse?

Das Possessivpronomen mit seinem dazugehörigen Possessiv-Suffix (|i|) wird also zuerst verwendet, dann das Akkusativ-Suffix mit n-Bindung (|ni|), – und nicht y.

Onun peyniriyi verir misin? wäre also falsch!

Wir empfehlen Dir übrigens, in der 3. Person Singular/Plural immer das Possessiv-pronomen (onun/onların) zu benutzen, um eine mögliche Verwechslung des Akkusativ-Suffixes mit dem Possesiv-Suffix ganz auszuschließen. Diese sind nämlich identisch, wenn das Wort nicht auf einen Vokal endet:

Bisikleti könnte so alleinstehend jetzt „das Fahrrad“ im Akkusativ oder „sein/ihr Fahrrad“ im Possessiv sein, oder? In der Regel wird es aber aus dem Zusammenhang heraus deutlich.

4.2.4 Eigennamen

Bei Eigennamen wird ein Apostroph gesetzt.

Beispiele:

Mehmet’i gördüm. = Ich habe (den) Mehmet gesehen.
Türkçe’yi öğreniyorum. = Ich lerne (das) Türkisch(e).

4.2.5 Akkusativpronomen

Die Personalpronomen im Akkusativ lauten:

beni = mich
seni = Dich (sehr berühmtes Beispiel: Seni seviyorum. = Ich liebe Dich.)
onu = ihn/sie/es
bizi = uns
sizi = Euch / Sie
onları = sie

4.3 DATIV

4.3.1 „Wem?“ oder „wohin?“

In der Regel beantwortet der Dativ die Frage nach dem „wem?“. Im Türkischen wird aber mit dem Dativ auch die Frage „Wohin?“ beantwortet. Die Dativ-Bildung erfolgt daher z.B. oft in Verbindung mit Verben, die eine Bewegung ausdrücken. Hierbei erfolgt die Bildung mit dem Suffix -e/-a, das der Kleinen Vokalharmonie folgt:

Beispiele:

Eve gidiyorum. = Ich gehe nach Hause. (Wohin?)
Havuza gidiyor. = Er/sie/es geht ins Schwimmbad. (Wohin?)
Ona anlatacağım. = Ich werde es ihm/ihr erzählen. (Wem?)

4.3.2 Endung auf harte Konsonanten

Auch hier gilt wie beim Akkusativ: Bei Endung auf einen der „Harten Konsonanten“ ç, k, p und t wird vor dem Suffix zu c, ğ, b und d verweichlicht:

Çocuğa bir masalı okudum. = Ich habe dem Kind ein Märchen vorgelesen.

4.3.3 Vokalendung

Bei Eindung auf einen Vokal wird ein y eingeschoben:

Masaya koydum. = Ich habe (es) auf den Tisch gelegt.
Lokantaya gidiyor. = Er/sie geht ins Restaurant.

ABER: Stammt der Vokal von einem Possessiv, wird ein n statt y eingeschoben:

Onun masana koydum. = Ich habe (es) auf seinen/ihren Tisch gelegt.

4.3.4 Eigennamen

Bei Eigennamen wird das Suffix mit Apostroph getrennt:

Deniz’e güveniyorum. = Ich vertraue (in) Deniz.

4.3.5 Dativpronomen

Und auch hier die entsprechenden Personalpronomen im Dativ:

bana = mir (Beispiel: Bana verir misin? = Gibst Du mir?)
sana = Dir
ona = ihm/ihr/ihm
bize = uns
size = Euch / Ihnen
onlara = ihnen

4.4 GENITIV

4.4.1 Wessen?

Der Genitiv beantwortet die Frage nach „wessen?“. Du kennst bereits eine Genitiv-Konstruktion aus dem Beispielsatz in Lektion 3.6:

Mehmet’in arabası. = Von Mehmet sein Auto. (Wessen Auto?)

Der Genitiv wird mit dem Suffix -in gebildet. Und da es der GROSSEN VOKALHARMONIE folgt, kann daraus wie folgt werden:

-ın, -in, -un, -ün.

Ein paar Beispielsätze (das erste Substantiv trägt die Genitivbildung, das zweite die dazugehörige Possessivbildung, die Du bereits aus Lektion 3.6 kennst):

bakkalın penceresi = wörtlich: des Geschäfts sein Fenster (Wessen Fenster?)
onun saçları = wörtlich: von ihm/ihr seine/ihre Haare (Wessen Haare?)

4.4.2 Endung auf harte Konsonanten

Bei Endung des Wortes auf einen der „Harten Konsonanten“ ç, k, p und t werden diese vor dem Genitiv-Suffix zu c, ğ, b und d verweichlicht.

Bisikletin tekerleği. = des Fahrrads sein Reifen bzw. eigentlich ganz einfach: der Fahrradreifentekerlek endet ja eigentlich auf k, wird aber hier nach hartem Konsonanten zu ğ verweichlicht.

4.4.3 Vokalendung

Bei Endung auf einen Vokal wird ein n eingeschoben. Diesmal also kein y.

odanın kapısı = des Zimmers Tür bzw. die Zimmertür

4.4.4 Eigennamen

Und wie immer wird ein Eigenname mit Apostroph vom Suffix getrennt:

Türkiye’nin plajları = der Türkei ihre Strände bzw. Türkeis Strände

4.4.5 Ausnahmen im Genitiv

Beim Genitiv wird nach einem Vokal auch statt dem üblichen n trotzdem mal ein y eingeschoben, und zwar bei

su = das Wasser und
ne = was.

Beispiele:

Suyun rengi mavidir. = Die Farbe des Wassers ist blau.

Das -dir in mavidir ist eine Dir noch unbekannte Konstruktion von „sein“. Darauf kommen wir später noch zurück. Und das k in renk (die Farbe) wurde zu g statt ğ verweichlicht. Im Folgenden eine weitere Ausnahme.

Neyin faydası? = Von was der Nutzen?

Warum diese Ausnahmen? Ganz einfach: Um es den Ausländern eben nicht zu einfach zu machen, Türkisch zu lernen. Ein bisschen Exklusivität sollte schon beibehalten werden.

4.5 ABLATIV

4.5.1 „Woher?“, „von wem?“ oder  „woraus?“

Der Ablativ ist das genaue Gegenteil des Dativs. Mit dem Ablativ werden die Fragen „woher?“, „von Wem?“ und „woraus?“ beantwortet. Die Bildung des Ablativs erfolgt mit dem Suffix -den/-dan und entspricht der Kleinen Vokalharmonie.

Beispiele:

Evden çıkıyorum. = Ich gehe aus dem Haus.
Lokantadan geliyor. = Er/sie/es kommt aus dem Restaurant.

4.5.2 Endung auf harte Konsonanten

Endet ein Wort auf einen der harten Konsonanten, wird NICHT verweichlicht. Diesmal kommt es zu einer Verhärtung des Suffixes. Aus -den/-dan wird -ten/-tan. Dies gilt für alle harten Konsonanten – also ç, f, h, k, p, s, ş und t:

Kitaptan öğrendim. = Ich habe aus dem Buch gelernt.

4.5.3 Eigennamen

Bei Eigennamen wird das Suffix mit Apostroph getrennt.

Mehmet’ten çakmağı aldım. = Ich habe von Mehmet das Feuerzeug genommen (erhalten).
İstanbul’dan geliyorum. = Ich komme (gerade) aus Istanbul.

4.6 LOKATIV

4.6.1 Wo?

Und zu guter Letzt wollen wir natürlich auch die Frage nach dem „wo?“ beantworten können, womit wir dann beim Lokativ wären. Dieser wird mit dem Suffix -de/-da gebildet und folgt ebenfalls der Kleinen Vokalharmonie.

Beispiele:

Lokantada. = Im Lokal.
Evde. = Im Haus/Zuhause.

4.6.2 Endung auf harte Konsonanten

Auch hier kommt es nach harten Konsonanten zu einer Suffix-Verhärtung. Aus -de/-da wird -te/-ta:

Sokakta. = Auf/In der Straße.

4.6.3 Eigennamen

Bei Eigennamen wird wie immer ein Apostroph gesetzt:

Almanya’da. = In Deutschland.
Mehmet’te. = Bei Mehmet.

4.6.4 Anmerkungen zum Lokativ

a) Das Lokativ-Suffix -de/-da solltest Du nicht mit dem Wörtchen de oder da verwechseln. de bzw. da bedeutet nämlich „auch„, ist aber alleinstehend und folgt wie der Lokativ der Kleinen Vokalharmonie.

Beispiele:

Mehmet de evde. = Mehmet ist auch zuhause.
O da lokantada. = Er/sie ist auch im Lokal.
Ben de gidiyorum. = Ich gehe auch.

b) Der Lokativ kann auch mit var/yok und dem Fragepartikel mi prima kombiniert werden:

Antalya’da plaj var mı? = Gibt es in Antalya einen Strand?

c) Zum Lokativ gehören auch die ortsbestimmenden Präpositionen:

nerede = wo? kennst Du ja schon. Darüber hinaus gibt es noch:
burada = hier
şurada = dort (noch sichtbar)
orada = dort (nicht mehr sichtbar)

Umgangssprachlich werden diese Präpositionen zu nerde, burda, şurda und orda verkürzt.

Burda plaj yok. = Hier gibt es keinen Strand.
Ama orda havuz var. = Aber dort drüben gibt es ein Schwimmbad.

4.7 ANMERKUNG ZU DEN VERSCHIEDENEN FÄLLEN IN BEZUG AUF EIGENNAMEN

Bei Bildung der unterschiedlichen Suffixe ist nicht die Schreibweise des Eigennamens ausschlaggebend, sondern die Aussprache. Das ist wichtig in Bezug auf nicht-türkische Eigennamen. Was das heißt, sollte an folgenden Beispielen klar werden:

Aachen’da. = In Aachen.

Der letzte Vokal in Aachen ist ein e. Dennoch wird der Türke hier -da und nicht -de verwenden. Warum? Das e in Aachen klingt mehr wie der ı-Laut, und dem ı folgt nach der Kleinen Vokalharmonie nunmal das -da.

Aachen’dan (statt ‚den). = Aus Aachen.
Aachen’a (statt ‚e). = Nach Aachen.

Vokabeln zu Lektion 04:
anlatmak = erzählen; bakkal = der (Lebensmittel)Laden; bisiklet = das Fahrrad; çakmak = das Feuerzeug; çay = der Tee; de / da = auch; duymak = hören; fayda = der Nutzen, Vorteil; görmek = sehen; güvenmek = vertrauen; havuz = das Becken/Schwimmbad; içmek = trinken; kahvehane = das Café; kapatmak = schließen; kapı = die Tür; koymak = hinlegen/-stellen; lokanta = die Garküche, das Restaurant; lütfen = bitte! (wenn man um etwas bittet); masa = der Tisch; masal = das Märchen; mavi = blau; mektup = der Brief; müzik = die Musik; öğrenmek = lernen; öğretmek = beibringen, lehren; okumak = (vor)lesen, auch studieren; peynir = der Käse; plaj = der Strand; renk = die Farbe; saç = das Haar; sokak = die Straße; su = das Wasser; süt = die Milch; tekerlek = der Reifen